Freitag, 21. September 2007

Geliebter Affe

Neue Erbgut-Vergleiche zeigen: Die Vorfahren von Menschen und Schimpansen hatten artübergreifend Sex und zeugten Bastarde - aus denen dann der Homo sapiens hervorging.
DS 21/2006

Die Linien der Schimpansen und der Menschen waren bereits getrennt, dann jedoch haben sie wieder Gene miteinander ausgetauscht.
Denkbar ist, dass Vormenschenfrauen zu äffischen Liebhabern fanden. Söhne aus diesen Mischbeziehungen waren wohl unfruchtbar. Die hybriden Tochter indes wuchsen bei ihren Müttern in der Vormenschen-Sippe auf. Später zeugten sie mit den Männern des Clans ganz besondere Kinder - es waren die Vorfahren der heutigen Menschen.

Sonntag, 16. September 2007

Schimpansen, Bonobos und wir

Hippie oder Killeraffe?

Frans de Waal über blutrünstige Schimpansen und sexsüchtige Bonobos, den Ursprung der Familie und das Wesen des Menschen


Wilde Schimpansengruppen ziehen wie Gangs gegen Feinde zu Felde.
Der Bonobo ist uns so nahe verwandt wie der Schimpanse.

Wilde Bonobos leben in einer reichhaltigeren Umgebung. Im Gegensatz zu den Schimpansen haben sie mehr als genug z essen, so dass die Bonobofrauen alle gemeinsam umherziehen können. Dabei bilden sie Koalitionen, helfen einander, verteidigen sich, so dass sie nicht von den Männern beherrscht werden (ein Matriarchat), wobei nicht einzelne Bonobofrauen dominant sind, sondern sie alle -als Gruppe. Und innerhalb deren haben meistens die älteren das Sagen.
Für weibliche Bonobos lohnt es sich kaum, ständig um ihren Platz innerhalb der Hierarchie zu kämpfen, weil es ihren Reproduktionserfolg nur wenig erhöht. Ranghohe Bonobofrauen haben zwar besseren Zugang zu Nahrung für ihre Jungen. Dieser Vorteil ist jedoch minimal, verglichen mit den Vorteilen, die ranghohe männliche Schimpansen genießen. Für die übersetzt sich Dominanz direkt in mehr Nachwuchs - daher die oft brutale Konkurrenz.

Eine Studie aus Finnland:
Kinder, die sich gezankt hatten, wurden gefragt, wie lange sie wohl noch wütend aufeinander sein würden. Die Jungs sagten stolz: "Oh, mindestens ein oder zwei Tage." Die Mädchen sagten: "Für immer".

Die Bonobomännchen haben viel weniger Stress und leben länger als männliche Schimpansen.
Bonobos haben siebenmal häufiger Sex als Schimpansen. Aber es sind kurze Begegnungen, sie dauern im Schnitt 14 Sekunden. Sex ist bei ihnen wie Händeschütteln. Und sie tun es in allen Stellungen. Diese Kamasutra-Primaten stimulieren sich oral, mit Händen, sie treiben es sogar kopfüber hängend. Vor allem aber; homosexuell, heterosexuell, in allen Kombinationen. Nur Mutter-SohnSex wird vermieden. Sie haben im Unterschied zu Schimpansen auch dann Sex, wenn die Bonobofrauaen überhaupt nicht empfänglich sind.
So viel viel Sex verhindert den Infantizid. Da die Bonobomänner mit allen Bonobofrauen Sex haben, wissen sie nicht ob ein Kind vielleicht ihres ist (Vaterschaftsverschleierung). Schimpansinnen haben eine andere Strategie. Sie verlassen die Gruppe kurz vor der Geburt ihrer Kinder und bleiben den gefährlichen Männerbünden jahrelang fern.. Bei Menschen verhindert die Familie die Kindstötung. Die Kernfamilie aus Mutter, Vater und Kindern ist neben der Sprache der größte Unterschied zwischen uns und und den anderen Menschaffen. Der Schritt vom Wald in die Savanne machte uns zur leichten Beute. Plötzlich fehlte der Fluchtweg auf die Bäume. Besonders Frauen mit ihren Babys mussten beschützt werden, und zwar aktiv von Männern. Nur deren Hilfe machte es dann auch möglich, das die Frauen die Kinder in kürzeren Abständen zur Welt brachten, vielleicht alle zwei oder drei Jahre. Sie bekommen damit doppelt so häufig Nachwuchs wie die Menschaffen. Diese schnelle Reproduktion ist einer der Gründe, warum wie heute die Welt besiedeln und nicht sie.
In so einem System wird es für jeden Mann extrem wichtig, dass seine Frau nicht fremdgeht und er am Ende den Nachwuchs eines anderen großzieht. Männer kontrollieren daher geradezu zwanghaft ihre Frauen.

DS 34/2006
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Dromologie und Panik als Lebensform

Paul Virilio
Dromologie: Wissenschaft der Geschwindigkeit
Dromos: Rennbahn
"Ville panique"
Hochhäuser als vertikale Sackgassen

Besinnung braucht Zeit, während die Geschwindigkeit den Raum vernichtet und die Zeit verdichtet - ein sicherer Weg in die Katastrophe.

Die äußerst heftige Kritik an der trostlosen Architektur der französischen Vorstädte führt jetzt zu einer systematischen Zerstörung der gewaltigen Wohnriegel und Türme im Großraum Paris - ein symbolischer Selbstmord des kollektiven Lebens in der Kosmopolis.
Die rituellen Feiern, die solche Sprengungen als Massenspektakel begleiten, deutet Virilio als freiwillige Hinrichtung von modernem Lebensraum. Doch vor der pyrotechnischen Implosion fand die politisch Implosion statt, welche die ursprünglich idyllischen Vororte, wo einmal der Impressionismus entstand, in zivilitations- und rechtlose Ghettos verwandelte - durch die Konzentration mittelloser, kinderreicher Einwanderer aus Nord- und Schwarzafrika, die in der "Bannmeile", die banlieue vor den Toren der großen Stadt, eingesperrt wurden. Aus der "Kosmopolis" wurde die "Klaustropolis", die Stadt im Belagerungszustand, die sich vor den Ausgeschlossenen fürchtet und den Feind im Innern mit Notstandsgesetzen und Ausgangssperren draußen zu halten versucht.
Seither beginnt das Auswärtige mitten unter uns, die Staatsgrenzen verlaufen innerhalb der Stadtgrenzen, die Geopolitik wird im Zeichen der Globalisierung hinfällig und schläft um in Metropolitik.

In dern brennenden Votstädten offenbart sich die "Demokratie der Emotion". In ihr ist die Reflexion abgeschaltet.

Der Unfall ist das Ereignis, der Fortschritt die Katastrophe, die Panik die Reaktion der Massen im Zeitalter des Masenindividualismus.


DS 47/2005