Montag, 10. November 2008

Turbo, Gambling & der neue Präsident

Turbokapitalismus, Gambling und unser neuer Präsident

 

Everybody knows the good guys lost
Everybody knows the fight was fixed
The poor stay poor, the rich get rich
Thats how it goes
Everybody knows

 (Leonard Cohen)

 

Alle Welt redet von der Krise des Kapitalismus, aber ist es „wirklich“ eine Krise? Ein Zeichen der Ungesundheit gar?  Ein Symptom? Ein Unfall? Ein Vorbote des Ablebens gar?

Nein! Das, was derzeit meistens mit „Finanzkrise“ gemeint wird, ist ein Ausdruck der Stärke des Kapitalismus, seiner überbordenden Gesundheit. Und es ist dieses Übermaß  an Gesundheit, welche zum Problem geworden ist.

Es ist bekannt, dass ein Überschuss des Glückszustandes selbst zum „Problem“, zum Unglück wird – in der Drogentherapie läuft es unter dem Stichwort Junkie-Effekt. Verkürzt besagt es folgendes: Glück besteht in der Überwindung des Unglücks. Es gibt kein Glück „an sich“, kein „glücklich sein“, sondern eine Überwindung eines unangenehmen Zustandes – welches wir nicht Unglück nennen, aber welches unfraglich aus einem Mangel entsteht (verdammt, man merkt wohl, dass ich zuviel von Alfred Adler zuletzt gelesen habe!). Junkie-Effekt, weil die Produktion des ewigen (abrufbaren) Glückzustandes, welche dem Junkie vor dem Entzug (oder Ableben) zur Verfügung steht, zu einem Zustand der Normalität wird, zum Normalfall. Der Junkie kann dieses Hindern der Glückempfindung dadurch umgehen, dass er zu einer höheren Dosis greift, die ein erneutes Katapultieren aus dem „Normalzustand“ ermöglicht und ihm einen neuem „Kick“ verschafft. Es gibt da allerdings ein kleines Problem: der liebe Gott, hat seinerzeit nicht daran gedacht, dass der Verzehr aus dem Apfelbaum des Glücks zu einem Dauerzustand werden könnte. Dass aus der Aufforderung sich über die Welt zu verteilten und zu vermehren notwendigerweise ein permanentes Angebot an Äpfeln entstehen wurde. Und folglich, hat uns der liebe Gott nicht mit einem Organismus ausgestattet, welches in der Lage ist ein gerade erreichtes Glückzustand unmittelbar anschließend erneut zu superieren (wir lassen es hier unbemerkt, dass auch die liebe Umwelt, diese ewige Überbietung gar nicht zulassen kann – Leben ernährt sich bekannt aus sich selbst und mehr Leben bedeutet mehr Tod!

Greift nun diese Analogie wirklich auf unsere Gesellschaft? Ich vermute – ein Pessimist hätte er hier „fürchte“ gewählt – sie greift nicht nur auf unsere, sie greift auf jede Gesellschaft.

Wenn es einer Gesellschaftsformation – auf welcher Ebene auch immer, von der Gesellschaft, die in einer Ehe begründet wird bis zu unserer heutigen globalisierten Welt - „zu“ gut geht, muss sie um erneut oder weiterhin glücklich zu sein, Unglück produzieren (Herstellung eines erneuten Mangels). Da eine Gesellschaf t per definitionem aus einem „vielen“ besteht, führt dies unweigerlich dazu dass die Sozien nun auf unterschiedlichen Unglücksleveln schweben. Und hier fangen die Probleme an, jeder hat seine spezielle Überwindung des Unglücks (für manchereiner ist die Herstellung des vorangegangenen Zustandes das Glück während für den anderen gerade deren Besiegelung zuständig war). Für die Mutter eines ausgehungerten Säuglings gilt eine andere Überwindung des Unglücks als für einen einfachen Eingestellten eines transnationalen Grosskonzerns.

Wenn ich diese Analogie weiter ausspinne (ich sage mir wirklich, dass ich sie ähnlich einer Spinne ausfädele, und bin mir bewusst, dass ich sie bei zwei unterschiedlichen Spinnvorgängen zwei unterschiedliche Spinnmuster erzeuge) komme ich zu folgendem:

Unsere globalisierte Gesellschaft, der es insgesamt verdammt gut gehen könnte, besteht auf die Erzeugung des Unglücks. Diese unsere globalisierte Gesellschaft scheint, einem Ameisenhaufen ähnlich, ein lebendiges, organisches Bewusstsein, zu besitzen, welches von selbst – ohne unser persönliches Zutun – dafür sorgt, dass stets neues Unglück produziert wird, als Quelle des neuen Glücks.

Nun hat Amerika unseren neuen Präsidenten gewählt und meine Freude war unermesslich und ich muss eingestehen, dass ich nicht in der Lage war der Müdigkeit nachzugeben, bevor es zweifelsfrei stand, dass wir durch waren und wir unseren ersten schwarzen Präsidenten hatten.

Leider haftete meiner Freude den Beiklang einer anständigen Trauer, unser Präsident wird versagen, er wird unsere Hoffnungen nicht verwirklichen können, weil sie nicht zu verwirklichen sind. Wir erwarten von ihm Unmögliches, und die Verwirklichung von Unmöglichem ist bekannt nur den Göttern gegönnt. Ich hoffe, für unseren ersten schwarzen Präsidenten, dass er um das Schicksal unserer Helden bescheid weiss und Abhilfe für die Zeit nach der Euphorie eingeplant hat. Da er bekanntlich ein guter Jurist geworden ist, glaube ich dass er das Beste aus unserer Sache mit Anstand und Lässigkeit schon drehen wird, auch wenn wir stets an der Kippe des Untergangs schaukeln.