Dienstag, 26. Mai 2009

Flexibler Mitarbeiter gesucht

Flexibler Mitarbeiter gesucht…

Wer mag wohl dieser flexible Mitarbeiter sein? Was muss er bringen? Was haben wir uns unter einem un-flexiblen Mitarbeiter vorzustellen, und warum wird er ausdrücklich aus der Suchanfrage ausgeschlossen?

Definitionsmäßig hat der Anstellende einen Anspruch auf Erfüllung seiner Vorgaben, soweit diese gesetzlich zulässig sind. Dazu bedarf es keines flexiblen Mitarbeiters, das bringt das Anstellungsverhältnis von sich aus.

Flexibler (biegsamer) Mitarbeiter ist also der Mitarbeiter der stets geduckt läuft, und zwar in einer Haltung, die das Gesetz nicht mehr für rechtens erachtet.

Der flexible Mitarbeiter, der biegsame, ist der Mitarbeiter, der auch jenseits des gesetzlich Zulässigen mitmacht. Er schert sich um die Arbeitsbedingungen und um die (gesetzlich festgelegte) Bezahlung. Der flexible Mitarbeiter, bringt sich um sein eigenes Recht für Geld (weniger Geld und weniger Rechte als ihm das Gesetz gewährt). Höchstwahrscheinlich wird er meinen, dass es dies tun muss (um seine Kinder durchzubringen, den Strom zu bezahlen, usw.), und sicherlich wird er recht haben.

 

Der unflexible Mitarbeiter bleibt also auf der Straße, und nicht nur er. Auf der Straße bleiben bedeutet ausgeschlossen zu werden, oder sich zu den Ausgeschlossenen hinzuzugesellen, kurzum: nicht dazugehören dürfen.

Solange „flexible Mitarbeiter“ gesucht werden, ist es noch gut bestellt um die Gesellschaft. Flexibilität ist dann der Schlüssel zur bittersten Notbeseitigung, der noch gangbar ist. Jenseits dessen beginnt das Unzumutbare, der Gang zur Zerstörung (des Selbst oder des Fremden).

Ganz schlimm wird es, wenn die Flexibilität nur noch zum Schein, als stabilisierendes Element, figuriert (denn „flexibel“ könnte auch bedeuten, die eigene Tochter auf den Strich zu schicken, oder seinen Neffen eine Anstellung als Drogenkurier zu vermitteln). Dann staut es in der Gesellschaft, und das Ergebnis sehen wir regelmäßig in den Unruhen in den Pariser Vororten, in den geplünderten Kaufhäusern Nord- und Südamerikas, in den Amok-Läufern in nordeuropäischen und nordamerikanischen Schulen.

Flexibilität kann auch über „Selbstausbeutung“ sich entladen – natürlich gibt es keine „Selbst-Ausbeutung“, das Selbst kann sich nie ausbeuten, es verausgabt sich lediglich, Selbstausbeutung ist das Wort, welches die nationalen Akademien sich ausgesucht haben, um eine Diskrepanz zu benennen zwischen dem, was die Gesellschaft als „gegeben“ hinstellen möchte – die Mindestrechte, die jedem Bürger angeblich zustehen – und dem, was „faktisch“ vorhanden ist. Nicht ohne Grund sind es die „Ausgeschlossenen“ die ihre Pariser Basaren rund um die Uhr geöffnet halten, um jeden Cent mitzunehmen.

Flexibilität hilft nicht, wenn man weit weg vom Schuss ist, und irgendwo an der Küste Nordafrikas auf einen Motorboot nach Südeuropa schielt. Der geographische Ausschluss (stirb doch Hause, du Arsch!) lässt sich nur über die Generationen überbrücken (einfacher allerdings vor Schengen).

das Zeichen

Semiotics, das Ding vom Zeichen. Das Zeichen: etwas, was für etwas anderes steht (weil dieses sich von selbst nicht sagen kann).

Montag, 25. Mai 2009

Was soll es denn bedeuten? (Ludwig Wittgenstein)

"Das was 1cm3 Wasser wiegt, hat man '1 Gramm' genannt. - Ja, was wiegt er denn?"
Ludwig Wittgenstein, Philosophische Grammatik

Dienstag, 12. Mai 2009

Politik und Unwahrheit - Ist doch nur ein Spiel, Kinder!

Politik und Unwahrheit

Die Wahrheit ist uns abhanden gekommen, besser: es ist inzwischen allgemein bekannt, dass es keine Wahrheit gibt (Gottseidank wird von einigen klugen Köpfen hinzugefügt – denn da wo die Wahrheit noch in Worte gefasst wurde, wurde sie alleine vom Herrscher, bzw. seinem Beauftragten, einer Minderheit also, stets ausgesprochen und nie diskursiv ermittelt). Um dies herauszufinden, benötigen wir weder Nietzsche, der dies  Wahr manisch verkündet hat, noch Wittgensteins Theorie der Sprachspiele – („das Sprechen einer Sprache ist Teil einer Tätigkeit, oder einer Lebensform“, nicht Wahrheit wird mitegeteilt, sondern Sinn hergestellt), noch überhaupt der gesamten geschichtlichen Weisheit.

Aber zwischen der Wahrheit und der glatten Lüge (eine Lüge, die spurlos durchgeht, keine Risse hinterlässt und eine Lüge, die zugleich sich durch ein Ausrutschen des Belogenen auszeichnet) liegen unzählige Welten des Möglichen: man muss also, nicht immer lügen, wenn es heißt die Wahrheit nicht zu sagen. Wenn systematisch die Lüge die Oberhand gewinnt, heißt es Vorsicht nehmen: wir sind dann im Reich der Illusionen – und wir leben eine Illusion aus (was an sich nichts verwerflich wäre, als ob es an sich etwas „verwerfliches“ gäbe). Traurig dabei könnte es nur sein, dass wir das eine Leben, was wir als Illusion ausleben, vielleicht auch anderes gestalten könnten – womöglich mit einem viel größeren Ausstoß an körpereigenen Endorphinen.

Die Wahrheit ist für die Politik stets als Sprosse auf der Leiter nach oben, nicht cursus honorum sondern illudo ergo domino ,stets etwas, was gemacht wird, und viel weniger etwas, das gesagt wird („tue, was ich sage, und sage nicht was ich tue“). Anderes kann Politik, das Leben in unfreiwilliger Gemeinschaft, gar nicht gedacht werden. Die Wahrheit wäre doch stets die, und hier wäre ein Rückgriff auf Nietzsche wohl angebracht, dass Leben in der Polis stets bedeutet „leben trotz“, des „überleben vor“ und des „warum eigentlich nicht?“: Eine winzige bessere Ausbildung für meine Kinder, ein unvermeintlich sozial bedeutungsloses Saphir an die Liebste, eine etwas bessere Mahlzeit.

Man müsste, wenn man denn könnte, die Politiker nicht an der Wahrheit messen, sondern in einer Skala, die am obersten Rande „Unverschämtheit“ und am untersten „mit der Gnade, die mir das menschliche Dasein per se vermittelt“ beschriftet werden könnte.

Ob es ein Unterschied denn gäbe zwischen der cäsarischen „politischen Unwahrheit“ und unserer, der „spätbürgerlichen“, modernen?

Zunächst der, dass die der Kaiser selbst, die Wahrheit schafft, indem er sie „sagt“. Die Dichotomie ist nicht Wahrheit und Lüge, sondern Wahrheit und Unterwerfung. Auch der kaiserliche Sklave, der Hausphilosoph, die Ehefrau und die Hetäre oder Konkubine, andere Ethnien und Bewohner anderer Landschaften werden ihre eigenen jeweiligen „Wahrheiten“ gehabt haben, aber wenn kaiserliche und unkaiserliche Wahrheit aneinandergeraten sind, wurden deren mehr an „Wahrheit“ nicht ermittelt – dies war eine Erfindung der Inquisition – sondern eine setzte sich durch, ausnahmslos mit Gewalt (möge sie auch unterwürfig dahergekommen sein, wie die christliche Wahrheit).

Der Kaiser selber währte solange, bis die „Masse“ darin die sinnvollste und effektivste Verkörperung der kollektiven Wünsche erblickte. Ab dem Augenblick, wo der Kaiser das Bild des „mehr“ nicht weiter bedienen könnte (mehr Land, mehr Frauen, mehr Getreide, mehr Wein, mehr Spiele und mehr Brot, mehr Sicherheit, mehr kollektiver Aufstieg) war sein Untergang besiegelt. Dies übrigens ist die Parallele die Hitler, Mussolini und sämtliche Diktatoren des 20 Jahrhunderts wohl erahnt haben: das Tausendjährige Reich, die Kolonialreiche, die „Fascien“ (die Gebündelten). Sämtliche Imperatoren, imperieren solange bis die Masse gewähren lässt, solange bis sie darin ihr sinnvollstes Fortkommen erblickt.

 Das ist der zweite große Unterschied: wenn die imperatorische Wahrheit nur noch als Aberglaube wahrgenommen werden konnte, musste der Imperator selber dran glauben – und hierin gleichen sich die römischen Kaiser ebenso sehr, wie sämtliche faschistische Harlekins des 20. Jahrhunderts und sämtliche nicht-faschistische Diktatoren. Die Verkörperung der Massenhoffnung wurde dann vernichtet, und zwar meistens körperlich. Der moderne, der spätbürgerliche Politiker muss nicht mehr physisch dran glauben. Auch er „erfindet“ Wahrheit wie geschmiert, aber er hat keine öffentliche Scham mehr, er legt den Dolch nicht mehr an sich selber an, greift nicht mehr zum Schierlingsbecher. Er dankt ab, zieht von dannen, kommt zurück in die beschützende „Masse“.

Wenn Imperatoren und Politiker Objekte der Öffentlichkeit (das modernere Wort für „Masse“) sind, dann muss an der Öffentlichkeit selbst etwas geschehen worden sein, dass diese Wende einleitet.

Wir könnten den Wendepunkt an der Inquisition ansetzen (es gibt eine Wahrheit, und diese Wahrheit lässt sich herausholen, wenn nötig auf dem Scheiterhaufen und auf der Folterkammer – dieses Bild des Teufel Bezähmung in der Folterkammer hat etwas Pathetisches und Rührendes). Und die Verankerung lässt sich gut an der ersten Menschenrechtserklärung festmachen: wenn alle Menschen gleich sind, werden meine Nachkommen mit sehr erhöhter Wahrscheinlichkeit selbst zum Götzenbild der kollektiven Träume – verständlich, dass ich meiner biologischen Nachkommenschaft nicht das Schicksal eines Nero, eines Julius Cäsars wünschen – es ist doch alles ein Spiel, Kinder! 

Sonntag, 10. Mai 2009

arbeitslos (vermehrt euch und seid glücklich)

Warum wir die Arbeitslosigkeit bitter nötig haben.

Arbeitslosigkeit ist die Peitsche der Ruhe im alltäglichen Betriebsleben. Andere Instrumente zur Förderung und Wahrung der Ruhe sind ein gewisser Wohlstand, u.ä.

Die Arbeitslosigkeit muss sich auf einer Ebene einpendeln, die die Wahrscheinlichkeit selbst von ihr erfasst zu werden mich daran hindert, den Job aufzugeben, um mich nach einem für mich besseren umzusehen, weil die Arbeitsbedingungen mir nicht zusagen, oder die körperliche Aura meiner Mitarbeiter oder die Augenfarbe meines Vorgesetzten.

Die Arbeitslosigkeit darf jedoch nicht so wahrscheinlich sein, dass es für mich sinnvoller ist ganz aus dem Arbeitsprozess auszuscheren (um Kartoffeln und Rosinen, Schuhen und Federhalter für den eigenen Bedarf  herzustellen).

Ist die Arbeitslosigkeit zu wahrscheinlich, die Zahl der ausreichend Unzufriedenen hat einen ausreichenden Anteil an der Gesamtgesellschaft erreicht, dass es anfängt zu knistern. Die Unzufriedenheit gewinnt irgendwann überhand und die Ausgeschlossenen schlagen zu: Hausbesetzungen, Geschäfteplünderungen, Maschinen stürmen.

Ist die Arbeitslosigkeit zu unwahrscheinlich (geht eher in Richtung ausgeschlossen) gibt es für den Beschäftigen keinen Anlass sich einen unfreundlichen oder frechen Ton eines Vorgesetzen unterzuordnen. Wenn ich weiß, dass ich morgen zu nicht wesentlich schlechteren Konditionen woanders anfangen kann, habe ich keine Hemmungen bereits heute zu kündigen.

Ein Mangel an Arbeitswilligen führt, solange der Markt – Angebot und Nachfrage – die Fülle der Zahltüten festlegt, zu unwilligen Arbeitnehmern – sie machen was sie wollen wann sie wollen. Sie werden „unerzogener“ und unproduktiver (dies ist übrigens einer der Gründe, warum in Gesellschaften, die einen Rückzug auf Subsistenzwirtschaft erlauben  - wo jeder für sich selber sorgen kann - die Qualität der Waren und Dienstleistung so sehr zu wünschen übrig lässt). Die besseren Waren kommen stets von „disziplinierten“ Gesellschaftsformationen[1] und es ist diese geschichtliche Verbitterung an „Disziplin“, die dazu führt, dass wir dem „made in Germany“ immer noch ein unheimliches anhaftet. Zu Recht, wenn wir bedenken, dass BMW, Porsche, BASF, Krupp und all die anderen, ihr ganz großes Ding während des 1000-jährigen Reiches gedreht haben. Dass die, die Überlebenden derjenigen die dran glauben müssten, immer noch hart um Entschädigung gerichtlich kämpfen müssen, wirft ein großes Licht auf die Entfernung, die zwischen unserer Zivilgesellschaft und unserer Gesellschaftsformation liegt.

Ein Mangel an Arbeitswilligen führt zu steigenden Löhnen. Das Bild der „Vollbeschäftigung“ ist die Horrorvision des Beschäftigenden: „Koch und Küchenhilfe zur sofortigen Einstellung gesucht“, „wir stellen ein: 10  Maurer, 3 Maler, 20 Unausgebildete“. Die Vollbeschäftigungsszenarien führen unweigerlich zu „netten Arbeitgebern“. Und nette Arbeitgeber sind nicht die funktionalsten Arbeitgeber – entweder man diskutiert oder man arbeitet (beides zusammen heißt Theater). Steigende Löhne sind steigende Preise – solange der Markt das Regulativ ist und nicht ein 5-Jahresplan, wo man viel Geld hat, aber nichts dafür erwerben kann.

Die vollbeschäftigte Gesellschaft ist eine inflationäre Gesellschaft, eine Gesellschaft der Geldentwertung. Und es ist gerade die Garantie des Geldwertes über die Gegenwart hinaus – am liebsten noch: von der Vergangenheit her über alle Zukunft hinaus, „Gib mir Gold!“ – die das Anhäufen von Geldmengen erlaubt. Ich verzichte auf den jetzigen Genuss, wenn ich ihn morgen einlösen kann. Das Produzieren und einlagern von „Überschüssen“ ist in einer inflationären Gesellschaft nicht sonderlich intelligent. Diese Intelligenz ist die Süße des Dandys, wie wir ihn im Stereotyp entwerfen – Hugh Hefner lässt grüßen.

Der Kapitalismus ist ein Verzicht auf Sofortkonsum (allein schon im Interesse der eigenen Gesundheit), besser noch ist das Retten der von mir sofort in Konsum umsetzbaren Geldmittel in die Zukunft. Diese Überschüsse sind mein Gründungskapital und mein Finanzkapital (Kapital, welches ohne Arbeit, Kapital erschafft.

Vielleicht bleibt nur der Schluss übrig, dass eine Gesellschaft mit Vollbeschäftigung eine „unwahrscheinliche“ Gesellschaft ist, eine Gesellschaft, die darwinistisch im Nachteil ist, sie wird sich weniger öfters reproduzieren können. Und, wenn wir das Bild weiter ausmalen, es sind gerade diese Nachteile, die Geschichte erzeugen. Die evolutionär benachteiligten Gesellschaftsformationen geraten dann in Bewegung, sie ziehen innerlich fort – wir nennen es dann „Fortschritt“, korrekter wäre „Fortzug“ – oder sie wandern in andere Landschaften – die Völkerwanderung der Vergangenheit sind ein buntes Beispiel und die modernen Völkerwanderungen einschließlich deren Verhinderungen ein trauriges, weil es „unsere“ Zeit ist, die wir da verpulvern. Wir erleben unsere Gegenwart stets als „traurige Geschichte“, erst die Historie verwandelt sie in Glanz und Glorie, aber dann, ist es nicht mehr „unsere“ Zeit gewesen. Das, was wir „Rom“ nennen oder „das antike Griechenland“ hat– höchstwahrscheinlich - nie stattgefunden.

Ein Überschuss an Arbeitswilligen, ein „Zuviel“ an Arbeitslosen…

 

Wenn Arbeit = X und Arbeitswillige = Y, dann ist Vollbeschäftigung X=Y.

Allerdings besitzt das Glück eine andere Formel, nämlich α (das Glück) = β (das was ich zum Leben benötige) + α (der Wille glücklich zu sein)

Es ist eine unmögliche Formel, denn dort wo a= a+b ist, ist nichts mehr.



[1] Unter Gesellschaftsformation wird gemeint: die physische Gesamtmenge aller Individuen, die ein soziales Ganze bilden – einschließlich sämtlicher Asoziale. Es gehören dazu nicht nur der Arbeitender und der Arbeitsloser, sondern auch der Schmarotzer, der Ganove, der Beschäftigender.

Unter Zivilgesellschaft wird gemeint: der „konkretisierte ideelle westliche Mindestkonsens“ an Lebens- und Wohlstandsgarantien. Letztendlich nichts anderes als was stets als Wertekanon des Westens seit der Virgina Bill of Rights im Jahre…. immer wieder verkündet wird. Die Menschensrechtscharta der Vereinten Nationen, die nationalen Verfassungen der demokratischen Länder, der kategorische Imperativ und die mosaischen Gesetzestafeln (vom Ehebruch einmal abgesehen).

Es gibt Gesellschaftsformationen ohne Zivilgesellschaft, hierzu gehören z.B. Saddams Irak, die erdölfinanzierten Familienstaaten – Staaten, die wie große Familien geführt werden – wie Vereinigte Arabischen Emiraten, Lybien. Und es gibt Zivilgesellschaften ohne Gesellschaftsformationen – wie die UNO selbst, die Fabian Society, usw.