Donnerstag, 2. September 2010

Die Häuptlinge und ein glückseliges Lächeln auf traurigen Lippen

Die Häuptlinge standen untereinander sowohl mit friedlichen Mitteln als auch durch Krieg in ständiger Konkurrenz. Im friedlichen Wettbewerb waren sie bestrebt, einander mit Geschenken und großen Festen zu übertreffen, mit denen sie sich Ansehen verschafften, ihre Gefolgsleute belohnten und Verbündete anlockten.
Jared Diamod: Kollaps (Warum Gesellschaften überleben und untergehen)

"Alle die hier hineinkommen, tragen ein Lächeln auf den Lippen", sagt eine Dame als ich den Chemotherapie-Raum betrete.
Ich kenne den Grund und nenne ihn auch: "jetzt erst recht!". Nicht zu leben ist ein Verbrechen, dies gilt vor allem dann, wenn deine letzten Tage bereits von Dritten angeläutet werden. Daher tragen Todgeweihte dies sanfte Lächeln auf ihren traurigen Lippen, daher auch trennen sie schnell Weizen vom Spreu, pflegen keine trostlosen Bekanntschaften mehr, ziehen sich auf die wenigen übriggebliebenen (es bleiben wenig übrig, wenn man wenig Zeit hat) Freunden zurück, lesen keine dummen Bücher und interessieren sich nicht für kurzlebige Nachrichten.
Wer kurz vor der Ewigkeit steht, schert sich einen Dreck um die Ephemeren des Lebens. Anders ausgedrückt: es kommt nicht auf das "wie lange" sondern lediglich auf das "Wie". Sagte doch Borges, man brauche nicht hunderte von Büchern zu lesen, eins tue es auch, oder mit Proust, das Entscheidende ist nicht die Landschaft, sondern ihre Wahrnehmung, nicht auf die vorbeiziehende Schönheit kommt es an, sondern darauf, wie ich ihr erlaube auf mich einzuwirken.