Sonntag, 16. September 2007

Dromologie und Panik als Lebensform

Paul Virilio
Dromologie: Wissenschaft der Geschwindigkeit
Dromos: Rennbahn
"Ville panique"
Hochhäuser als vertikale Sackgassen

Besinnung braucht Zeit, während die Geschwindigkeit den Raum vernichtet und die Zeit verdichtet - ein sicherer Weg in die Katastrophe.

Die äußerst heftige Kritik an der trostlosen Architektur der französischen Vorstädte führt jetzt zu einer systematischen Zerstörung der gewaltigen Wohnriegel und Türme im Großraum Paris - ein symbolischer Selbstmord des kollektiven Lebens in der Kosmopolis.
Die rituellen Feiern, die solche Sprengungen als Massenspektakel begleiten, deutet Virilio als freiwillige Hinrichtung von modernem Lebensraum. Doch vor der pyrotechnischen Implosion fand die politisch Implosion statt, welche die ursprünglich idyllischen Vororte, wo einmal der Impressionismus entstand, in zivilitations- und rechtlose Ghettos verwandelte - durch die Konzentration mittelloser, kinderreicher Einwanderer aus Nord- und Schwarzafrika, die in der "Bannmeile", die banlieue vor den Toren der großen Stadt, eingesperrt wurden. Aus der "Kosmopolis" wurde die "Klaustropolis", die Stadt im Belagerungszustand, die sich vor den Ausgeschlossenen fürchtet und den Feind im Innern mit Notstandsgesetzen und Ausgangssperren draußen zu halten versucht.
Seither beginnt das Auswärtige mitten unter uns, die Staatsgrenzen verlaufen innerhalb der Stadtgrenzen, die Geopolitik wird im Zeichen der Globalisierung hinfällig und schläft um in Metropolitik.

In dern brennenden Votstädten offenbart sich die "Demokratie der Emotion". In ihr ist die Reflexion abgeschaltet.

Der Unfall ist das Ereignis, der Fortschritt die Katastrophe, die Panik die Reaktion der Massen im Zeitalter des Masenindividualismus.


DS 47/2005

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