Freitag, 7. Dezember 2007

Raus aus dem Tunnel

DS 46/2007



Der Historiker Sebastian Conrad will die nationalstaatliche Perspektive überwinden.



Die Globalisierung, die wir heute erleben, ist nämlich, anders als in der propagandistischen Darstellung, keine neue Erfahrung. Schon das späte 19. Jahrhundert war eine Hochphase der weltweiten Interaktion und der Austauschprozesse, bevor nach den zwei Weltkriegen eine Epoche der Abschottung einsetzte.

Nationalgeschichtlicher Tunnelblick: eine auf Europa und die USA fixierte (nach Voltaire musste man gar sagen "frisierte") Perspektive.

Die Grundbedingungen für die Globalisierung waren am Ende des 19 Jahrhunderts bereits vereint: Transport, Kommunikation und Mobilität.

Das 19. Jh verstand sich selbst als "Jahrhundert der Arbeit"; der sich entwickelnde Wohlfahrtsstaat war auf die lohnabhängige Arbeit gegründet, ohne die der Ausbau der Sozialgesetzgebung nicht möglich gewesen wäre. Arbeit wurde eine moralische Kategorie, wer als "arbeitsscheu" galt, schloss sich aus der Gemeinschaft aus, eine Exklusion, die auch noch in Hartz VI nachklingt.



Fortschritt

Modernität wurde früher nur linear verstanden, jeweils ein Schritt nach dem anderen auf der Zeitachse; rückständige Gesellschaften lagen einfach nur eine Zeitkapsel zurück. Diese Weltanschauung stützte sich auf ein westliches Wertesystem, das sich selbst als universalistisch betrachtete. Heute koexistieren vielfältige Modernitäten, die keinen kulturellen Hegemonieanspruch mehr zulassen. Noch der Kommunismus war eine Utopie der Gleichförmigkeit. Heute hat der Respekt vor kultureller Differenz eine historische Priorität (bullshit!).

Statt der Zeit entdeckt die moderne Geschichtsforschung die Räumlichkeit wieder.

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