Donnerstag, 26. Juni 2008

DER SPIEGEL: Macht der Ohnmacht

Tibetischer Gottkönig, Friedensnobelpreisträger, spiritueller Superstar, von Chinas Kommunisten gehasst, im Westen verehrt: Der Dalai Lama, der jetzt Deutschland besucht, ist hier populärer als der deutsche Papst, der Buddhismus genießt mehr Sympathien als das Christentum. Was hat die Religion zu bieten? Und wer ist der Mensch hinter dem Klischee? Von Erich Follath, Der Spiegel 16.07.2007

„Für die InstantErleuchtung brauchen Sie eine Spritze“.

Versuchen Sie es zunächst mit einer Religion aus Ihrem Kulturkreis, beispielsweise mit dem Christentum, bevor Sie sich an die komplexen Rituale des tibetischen Buddhismus heranwagen“

Budhismus bedarf nicht der Organisation, der Institution.
Dalai Lama (im Mongolischen "Ozean der Weisheit")
"Ich bin für Sie, was Sie wollen, das ich für Sie bin"

Lhasa hatte 1959, als der Dalai Lama aus seinem Amtssitz fliehen musste, nach dessen Schätzung „etwa 30 000 Einwohner, davon 10 Ausländer“. Heute zählt die Stadt etwa 400 000 Einwohner, davon sind weit mehr als zwei Drittel „Ausländer“. Chinesen, teils zwangsgesiedelt, teils angelockt von Steuergeschenken der KP.

Kalsang Phuntsok, 43, der zornige Chef des Tibetan Youth Congress über die Tibeter: "Wir sind
wie die Pandabären der internationalen Politik, jeder mag uns, keiner tut etwas für uns.“
Das tibetische Staatsorakel.
Die Geschichte um die Panchen Lamas ("kostbare Lehrer"):
Im Mai 1995 hat der Dalai Lama in seinem indischen Exil den kleinen Jungen Gedhun Choekyi Nyima als Wiedergeburt des verstorbenen Panchen Lama erkannt (oder bestimmt, je nach Weltanschauung).
Die politischen Führer der Volksrepublik China ließen den Sechsjährigen mitsamt seinen Eltern durch Geheimpolizisten aus seinem Dorf entführen und brachten ihn nach Peking. Seitdem verweigern die Behörden jede Auskunft über den Jungen. Im April 2007 hat Choekyi, der oft als
„jüngster politischer Gefangener der Welt“ bezeichnet wurde, irgendwo seinen 18. Geburtstag gefeiert – „wenn er denn noch lebt“, wie der Gottkönig beim Interview in Dharamsala sagt.
Wenige Monate nach der Entscheidung von 1995 ist die politische Führung der Volksrepublik selbst aktiv geworden: Sie suchte einen eigenen Panchen Lama aus. Er stammt aus demselben tibetischen Distrikt Lhari wie sein Konkurrent, ist aber das Kind zweier als zuverlässig geltenden Parteimitglieder, die den Buddhismus eher nebenbei betrieben. Um dem Prozess einen Anschein religiöser Legitimität zu geben, griffen die Machthaber auf alte tibetische Rituale zurück und ließen bei einer feierlichen Zeremonie aus einer goldenen Urne Lose ziehen – eine Weltpremiere: die Wiedergeburt von kommunistischen Gnaden.

„Vielleicht gibt es ja bald sogar zwei Dalai Lamas, einen von Pekings Gnaden und einen, den das tibetische Volk in seinem Herzen trägt“, sagt der König-ohne-Land in seinem Exil. Und spricht dann erstmals detailliert über sein Vermächtnis: Er kann sich vorstellen, dass der nächste – der wahre – Dalai Lama außerhalb Tibets gefunden werden könnte, in der indischen Exilgemeinde, aber auch irgendwo im Westen.
Er gibt sich als „halber Marxist“ zu erkennen:
„Buddhismus und Marxismus weisen gemeinsame Grundzüge auf, auch wenn das im Alltag sogenannter kommunistischer Staaten selten erkennbar geworden ist. Der Urmarxismus hat sich ernsthaft mit der Frage beschäftigt, wie man den Ertrag aus der Arbeit gerecht verteilen ann – das entspricht dem Gebot meiner Religion.“

Ein Mann wie eine Mischung aus Mahatma Gandhi, Karl Marx – und Groucho Marx. Ein weiser Clown.

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