Freitag, 27. Juni 2008

STOP STONING

IRAN
"Der Richter wirft zuerst"
Der Teheraner Anwalt Dschabbar Solati, 40, über die Todesstrafe für seine Mandantinnen Sohre, 27, und Asar Kabiri-Nejat, 28, die in Karadsch, westlich von Teheran, gesteinigt werden sollen
SPIEGEL: Obwohl Iran der Europäischen Union im Dezember 2002 zugesichert hat, die Steinigungen zu stoppen, verurteilen Gerichte vor allem Frauen noch immer zu diesem qualvollen Tod. Was wird Ihren Mandantinnen zur Last gelegt?
Solati: Beide sollen Ehebruch begangen haben. Als Beweis legte der Ehemann von Sohre dem Gericht einen Film vor, in dem die Frauen mit einem fremden Mann in einem Raum zu sehen sein sollen. Soweit mir bekannt ist, zeigt das Video keine unzüchtigen Handlungen.
SPIEGEL: Haben Sie den Film auf seine Echtheit prüfen können?
Solati: Nein, die angeblichen Beweisaufnahmen selbst durfte ich nicht sehen.
SPIEGEL: Die Frauen sollen dafür aber schon einmal verurteilt worden sein?
Solati: Wegen "illegaler Beziehungen" erhielten meine Mandantinnen schon 99 Peitschenhiebe. Das Urteil wurde auf dem Gelände des Gerichts vollstreckt, die Frauen kamen aber danach nicht frei. Sechs Monate später hat ein anderer Richter den Fall wieder aufgerollt.
SPIEGEL: Glauben Sie, dass Sie das Urteil noch abwenden können?
Solati: Das hoffe ich. Auch nach iranischem Recht darf niemand für dasselbe Verbrechen zweimal verurteilt werden.
SPIEGEL: Wann wurde zuletzt in Iran eine Steinigung vollzogen?
Solati: Vor einigen Monaten wurde bei Ghaswin ein Mann gesteinigt, weil er Ehebruch begangen hatte. Das ist der häufigste Grund für diese Todesstrafe.
SPIEGEL: Wie wird die Steinigung durchgeführt?
Solati: Die Vollstreckung findet im Freien statt. Die Frauen sind bis zur Brust eingegraben, die Männer bis zur Hüfte. Nach Paragraf 104 unseres Strafgesetzbuchs dürfen die Steine nicht zu groß sein. Den ersten darf der Richter werfen. Er sorgt auch für einen Mindestabstand zum Opfer: Es soll nicht schon durch den ersten oder zweiten Stein sterben. Andererseits müssen die Steine so groß sein, dass sie schwere Schmerzen zufügen und die Verurteilten an inneren oder äußeren Blutungen sterben. Zuschauen darf jeder, man muss nur gläubig sein.
SPIEGEL: Auch an Kindern wird diese Todesstrafe vollstreckt.
Solati: Gemäß der Scharia, der islamischen Rechtsprechung, sind in Iran Mädchen mit 9 Jahren und Jungen mit 15 Jahren volljährig und damit strafmündig. Da Steinigung überwiegend bei Sexualdelikten praktiziert wird, kommt sie für Kinder eigentlich nicht in Frage. Die in Iran häufigste Todesstrafe ist das öffentliche Aufhängen, etwa an einem Baukran, und das kann auch jungen Menschen drohen.

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