Sonntag, 10. Mai 2009

arbeitslos (vermehrt euch und seid glücklich)

Warum wir die Arbeitslosigkeit bitter nötig haben.

Arbeitslosigkeit ist die Peitsche der Ruhe im alltäglichen Betriebsleben. Andere Instrumente zur Förderung und Wahrung der Ruhe sind ein gewisser Wohlstand, u.ä.

Die Arbeitslosigkeit muss sich auf einer Ebene einpendeln, die die Wahrscheinlichkeit selbst von ihr erfasst zu werden mich daran hindert, den Job aufzugeben, um mich nach einem für mich besseren umzusehen, weil die Arbeitsbedingungen mir nicht zusagen, oder die körperliche Aura meiner Mitarbeiter oder die Augenfarbe meines Vorgesetzten.

Die Arbeitslosigkeit darf jedoch nicht so wahrscheinlich sein, dass es für mich sinnvoller ist ganz aus dem Arbeitsprozess auszuscheren (um Kartoffeln und Rosinen, Schuhen und Federhalter für den eigenen Bedarf  herzustellen).

Ist die Arbeitslosigkeit zu wahrscheinlich, die Zahl der ausreichend Unzufriedenen hat einen ausreichenden Anteil an der Gesamtgesellschaft erreicht, dass es anfängt zu knistern. Die Unzufriedenheit gewinnt irgendwann überhand und die Ausgeschlossenen schlagen zu: Hausbesetzungen, Geschäfteplünderungen, Maschinen stürmen.

Ist die Arbeitslosigkeit zu unwahrscheinlich (geht eher in Richtung ausgeschlossen) gibt es für den Beschäftigen keinen Anlass sich einen unfreundlichen oder frechen Ton eines Vorgesetzen unterzuordnen. Wenn ich weiß, dass ich morgen zu nicht wesentlich schlechteren Konditionen woanders anfangen kann, habe ich keine Hemmungen bereits heute zu kündigen.

Ein Mangel an Arbeitswilligen führt, solange der Markt – Angebot und Nachfrage – die Fülle der Zahltüten festlegt, zu unwilligen Arbeitnehmern – sie machen was sie wollen wann sie wollen. Sie werden „unerzogener“ und unproduktiver (dies ist übrigens einer der Gründe, warum in Gesellschaften, die einen Rückzug auf Subsistenzwirtschaft erlauben  - wo jeder für sich selber sorgen kann - die Qualität der Waren und Dienstleistung so sehr zu wünschen übrig lässt). Die besseren Waren kommen stets von „disziplinierten“ Gesellschaftsformationen[1] und es ist diese geschichtliche Verbitterung an „Disziplin“, die dazu führt, dass wir dem „made in Germany“ immer noch ein unheimliches anhaftet. Zu Recht, wenn wir bedenken, dass BMW, Porsche, BASF, Krupp und all die anderen, ihr ganz großes Ding während des 1000-jährigen Reiches gedreht haben. Dass die, die Überlebenden derjenigen die dran glauben müssten, immer noch hart um Entschädigung gerichtlich kämpfen müssen, wirft ein großes Licht auf die Entfernung, die zwischen unserer Zivilgesellschaft und unserer Gesellschaftsformation liegt.

Ein Mangel an Arbeitswilligen führt zu steigenden Löhnen. Das Bild der „Vollbeschäftigung“ ist die Horrorvision des Beschäftigenden: „Koch und Küchenhilfe zur sofortigen Einstellung gesucht“, „wir stellen ein: 10  Maurer, 3 Maler, 20 Unausgebildete“. Die Vollbeschäftigungsszenarien führen unweigerlich zu „netten Arbeitgebern“. Und nette Arbeitgeber sind nicht die funktionalsten Arbeitgeber – entweder man diskutiert oder man arbeitet (beides zusammen heißt Theater). Steigende Löhne sind steigende Preise – solange der Markt das Regulativ ist und nicht ein 5-Jahresplan, wo man viel Geld hat, aber nichts dafür erwerben kann.

Die vollbeschäftigte Gesellschaft ist eine inflationäre Gesellschaft, eine Gesellschaft der Geldentwertung. Und es ist gerade die Garantie des Geldwertes über die Gegenwart hinaus – am liebsten noch: von der Vergangenheit her über alle Zukunft hinaus, „Gib mir Gold!“ – die das Anhäufen von Geldmengen erlaubt. Ich verzichte auf den jetzigen Genuss, wenn ich ihn morgen einlösen kann. Das Produzieren und einlagern von „Überschüssen“ ist in einer inflationären Gesellschaft nicht sonderlich intelligent. Diese Intelligenz ist die Süße des Dandys, wie wir ihn im Stereotyp entwerfen – Hugh Hefner lässt grüßen.

Der Kapitalismus ist ein Verzicht auf Sofortkonsum (allein schon im Interesse der eigenen Gesundheit), besser noch ist das Retten der von mir sofort in Konsum umsetzbaren Geldmittel in die Zukunft. Diese Überschüsse sind mein Gründungskapital und mein Finanzkapital (Kapital, welches ohne Arbeit, Kapital erschafft.

Vielleicht bleibt nur der Schluss übrig, dass eine Gesellschaft mit Vollbeschäftigung eine „unwahrscheinliche“ Gesellschaft ist, eine Gesellschaft, die darwinistisch im Nachteil ist, sie wird sich weniger öfters reproduzieren können. Und, wenn wir das Bild weiter ausmalen, es sind gerade diese Nachteile, die Geschichte erzeugen. Die evolutionär benachteiligten Gesellschaftsformationen geraten dann in Bewegung, sie ziehen innerlich fort – wir nennen es dann „Fortschritt“, korrekter wäre „Fortzug“ – oder sie wandern in andere Landschaften – die Völkerwanderung der Vergangenheit sind ein buntes Beispiel und die modernen Völkerwanderungen einschließlich deren Verhinderungen ein trauriges, weil es „unsere“ Zeit ist, die wir da verpulvern. Wir erleben unsere Gegenwart stets als „traurige Geschichte“, erst die Historie verwandelt sie in Glanz und Glorie, aber dann, ist es nicht mehr „unsere“ Zeit gewesen. Das, was wir „Rom“ nennen oder „das antike Griechenland“ hat– höchstwahrscheinlich - nie stattgefunden.

Ein Überschuss an Arbeitswilligen, ein „Zuviel“ an Arbeitslosen…

 

Wenn Arbeit = X und Arbeitswillige = Y, dann ist Vollbeschäftigung X=Y.

Allerdings besitzt das Glück eine andere Formel, nämlich α (das Glück) = β (das was ich zum Leben benötige) + α (der Wille glücklich zu sein)

Es ist eine unmögliche Formel, denn dort wo a= a+b ist, ist nichts mehr.



[1] Unter Gesellschaftsformation wird gemeint: die physische Gesamtmenge aller Individuen, die ein soziales Ganze bilden – einschließlich sämtlicher Asoziale. Es gehören dazu nicht nur der Arbeitender und der Arbeitsloser, sondern auch der Schmarotzer, der Ganove, der Beschäftigender.

Unter Zivilgesellschaft wird gemeint: der „konkretisierte ideelle westliche Mindestkonsens“ an Lebens- und Wohlstandsgarantien. Letztendlich nichts anderes als was stets als Wertekanon des Westens seit der Virgina Bill of Rights im Jahre…. immer wieder verkündet wird. Die Menschensrechtscharta der Vereinten Nationen, die nationalen Verfassungen der demokratischen Länder, der kategorische Imperativ und die mosaischen Gesetzestafeln (vom Ehebruch einmal abgesehen).

Es gibt Gesellschaftsformationen ohne Zivilgesellschaft, hierzu gehören z.B. Saddams Irak, die erdölfinanzierten Familienstaaten – Staaten, die wie große Familien geführt werden – wie Vereinigte Arabischen Emiraten, Lybien. Und es gibt Zivilgesellschaften ohne Gesellschaftsformationen – wie die UNO selbst, die Fabian Society, usw.

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