Montag, 30. August 2010

ars morendi, ars vivendi

es ist vage, das Leben und der Tod
Samuel Becket
eine Freundin, eigentlich müsste ich sagen: meine frühere Lebensgefährtin schenkt mir ein Buch über den Tod (in der Literatur), mein allerbester Freund (den Titel müsste er sich richtigerweise mit einem zweiten ebenfalls allerbesten Freund teilen) verabschiedete sich vom Leben, weil er als Stegreifreferat beim Goethe-Institut als ein von zwei Themata den Tod in der westlichen Kultur erhielt (dieses "weil" ist als notwendig, wenn auch nicht hinreichend zu verstehen).
Denke ich an die Kunst des Sterbens, dann drängen sich unweigerlich drei Gestalten vor meinen Augen: Foucault, Nietzsche, Heidegger (Nazi-Heidegger). Ich finde es müsste richtigerweise heissen: Leben am Limit. Es gibt keine Kunst des Sterbens, weil das Sterben meistens keine Zeit für Kunst lässt. Das Leben angesichts des Todes (mit dem Tod vor Augen) ist das entscheidende Moment. Wenn du weisst, dass deine Tage gezählt sind, dann musst du dein Restleben kunstvoll gestalten. Menschen mit einem verkürzten Lebenserwartung haben es leichter: sie müssen erst recht ihr Restleben mit Würde schmücken, sie dürfen keine Zeit mehr verlieren, mit für sie unwesentlichen Dingen, mit schmuddeligen Freundschaften, mit nutzlosen Hinweisen, wie gut gemeint sie auch sein mögen. Es lebt sich intensiver, wenn das Todesurteil feststeht.
Von Tod, Todesvorstellungen, dem Umgang mit Sterbenden und neuen Formen der Sepulkralkultur war in den letzten Jahren viel die Rede, meist aber und immer noch verbunden mit der sogenannten Verdrängungsthese.
(...) Literatur steht hier für narratives Material ganz allgemein, das seinen Beitrag leistet nicht nur zur mehr oder weniger realistischen Wiedergabe gesellschaftlicher Einstellungen zum Tode, sondern seinerseits prägend wirkt bei der Formierung von Todesbildern.
(...)Literatur ist nicht nur ein ästhetisch gebrochener Spiegel der Realität, sondern auch Produzentin symbolischer Ordnungen und Vorstellungen, die auf die Wahrnehmung von Realität Einfluss nehmen.
Karin Priester: Mythos Tod
Tod und Todeserleben in der modernen Literatur)

Keine Kommentare: