Dienstag, 15. Januar 2008

Die wahre Unterschicht

Der Aufschwung ist da – doch die Masse der Arbeitnehmer hat davon wenig. Daran wird auch die kommende Tarifrunde kaum etwas ändern. Die Globalisierung drückt weiter auf die Löhne, und die abhängigen Beschäftigten müssen den ausufernden Sozialstaat weitgehend allein finanzieren.
Fast sieben Millionen Deutsche gelten als Niedriglöhner, ihr Einkommen beträgt weniger als 2/3 des Lohnmittelwerts.
Die abhängig Beschäftigten werden in die Zange genommen: Zum einen drückt die Konkurrenz billiger Arbeitermassen aus Osteuropa oder Asien die Löhne ganzer Branchen und Berufsgruppen mitunter auf Hartz-IV-Niveau herunter. Zum anderen fordert der vielfach fehlkonstruierte Sozialstaat ausgerechnet den Arbeitnehmern die größten Opfer ab.
Eine partiell rechtsfreie Wildwest-Ökonomie.
Im vergangenen Jahr haben sich die Gehälter der Konzernvorstände in den 30 größten Aktiengesellschaften um bis zu 20% erhöht. Im vergangenen Jahrzenht haben sich die Chefgehälter sogar verdreifacht.
Unter der narkotisierenden Wirkung günstiger Konjunkturdaten hat die Große Koalition die Arbeiten auf der Reformbaustelle D weitgehend eingestellt.
Warum Neues wagen, wenn der Status quo bei Wirtschaft und Verbrauchern doch viel beliebter ist?
Heute fordern die Vorstände Managergehälter wie in Amerika, aber die Arbeitnehmer sollen sich an Löhnen wie in China orientieren.
Sollen die Löhne das Arbeitsergebnis korrekt wiederspiegeln, müssen sie etwa im selben Umfang wachsen wie Preise und Produktivität der Wirtschaft. Steigen die Löhne zu rasch, könnten Arbeitsplätze gefährdet werden. Legen Sie mit geringerer Rate zu, fahren die Firmen Extragewinne ein. Oder sie verbessern ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Nach dieser Formel wäre im vergangenen Jahrzehnt ein Verdienstplus von jährlich 2,5 % wirtschaftlich vertretbar gewesen. Tatsächlich aber sanken die realen Nettoverdienste pro Arbeitnehmer im Schnitt um 0,5 % pro Jahr. Die Differenz strichen Arbeitgeber und der Staat ein.
Legten in den vergangenen 15 Jahren die Bruttolöhne um 0,1 % pro Jahr zu. Die Nettolöhne dagegen gingen um 0,4% zurück. Die Differenz dient vor allem dazu, das wachsende Heer der Ruheständler und Transferempfänger zu versorgen.
Auch auf der anderen Seite der Sozialstaatsbilanz, bei den Einnahmen, werden die abhängig Beschäftigten wie Bürger zweiter Klasse behandelt.
So müssen Arbeitnehmer in der Spitze bis zu 47% ihres Einkommens versteuern. Immobilienbesitzern hat der Staat erhebliche Steuervorteile eingeräumt, Aktienverkäufe gänzlich steuerfrei, wenn Wertpapiere erst 12 Monate nach dem Kauf weiterveräußert werden, auch das Erben steuerbegünstigt.
Unterschiedliche Beteiligung an den Kosten und Leistungen des Gemeinwesens schlägt auf die privaten Haushaltsbudgets durch. So führen Arbeitnehmer jedes Jahr rund 6700 € an die staatliche Umverteilungsmaschine ab. Bei den im Schnitt deutlich wohlhabenderen Selbständigen nur rund 4700 €.
Abhängig Beschäftigte arbeiten zu 26% für den Staat, Selbständigen nur zu 15%.
1986 lagen die Einkünfte von Unternehmerfamilien, Freiberuflern oder Beratern knapp 40% über dem Durchschnitt, heute sind es knapp 50%.
Wer arbeitet ist der Dumme – es sei denn er arbeitet auf eigene Rechnung. Seit 1991 ist der Anteil der Selbständigen an der Erwerbsbevölkerung von 8 auf 11 % gestiegen. Weil der Kreis der Einzahler in die Sozialkassen gesunken ist, müssen diejenigen umso mehr bluten, die noch drin sind.
Die Bundesrepublik ist nach Belgien das Industrieland mit der höchsten Sozialbeitragslast auf den Faktor Arbeit.
Eichels angebliches Jahrhundertprojekt 2001 zur fiskalischen Entlastung der Bürger hat auf Druck der Industrie nicht die Sozialbeiträge sondern die Steuern gesenkt.
Als Wolfgang Clement die Misere der Langzeitarbeislose mit der „Mutter aller Reformen“ bekämpfen wollte, baute er vor allem die Minijob-Förderung aus. Es war die mit Abstand arbeitsmarktschädlichste Fehlkalkulation in der an Fehlkalkulationen reichen Hartz-Gesetzgebung.
Was zu tun wäre, um die dt. Krankheit zu bekämpfen ist seit langem bekannt:
Ein allg. Mindestlohn, der bei 40 St. Die Woche das Existenzminimum abdeckt. Viel höher darf er allerdings auch nicht sein. Sonst rechnen sich viele Jobs nicht mehr.
Die Sozialabgaben müssen sinken, damit die Unternehmen wieder mehr Jobs im Inland schaffen. Geringqualifizierte Stellen müssen mit staatlichen Lohnzuschüssen attraktiv gemacht werden.
DS 14/2007

Keine Kommentare: